Sueli Vanzuita Petry / Ana Maria Ludwig Moraes / Marcos Schroeder

Die deutsche Einwanderung in Santa Catarina

Die deutsche Einwanderung in Santa Catarina
Blumenau, ca. 1900

Im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts erlebte Brasilien eine Phase der politischen Konsolidierung. Um sich behaupten zu können, bildete der Kaiser Dom Pedro I. ein Heer von loyalen und disziplinierten Soldaten. In diesem Zusammenhang erfolgt der Beginn der deutschen Einwanderung in Brasilien. In Santa Catarina verzeichnet man die Präsenz von Deutschen ab 1829 und zwar mit der Gründung der Kolonie São Pedro de Alcântara durch die erste Gruppe von Einwanderern, die ehemalige Soldaten aus den deutschen Bataillonen waren, die in der Hauptstadt des Kaiserreichs aufgelöst worden waren. Aufgrund von diversen Schwierigkeiten, die in dieser Kolonie auftraten, zogen einige der Einwanderer später ins Itajaí-Tal, wo sie sich auf Landstücken niederließen, die heute zur Stadtgemeinde Gaspar gehören.

Die zweite Welle der Einwanderung beginnt 1847 mit einer Gruppe von Immigranten, die dann die Kolonie Santa Isabel bildeten. Nahe an der Küste, in Armação da Piedade (Biguaçu), erhielten deutsche Einwanderer Land zum Bewirtschaften, während andere zur Kolonie Leopoldina geleitet wurden. Doch diese Projekte kamen nicht voran. Andere Kolonisierungsversuche wurden entlang der Täler des Capivari und des Braço do Norte in Angriff genommen. In dieser neuen Periode spielt Dr. Hermann Bruno Otto Blumenau eine herausragende Rolle. 1846 kommt er zum ersten Mal nach Brasilien, um die Kolonien in Rio Grande do Sul und Santa Catarina kennenzulernen. Daraufhin entwickelt er ein Projekt zur Einrichtung einer privaten Kolonie an den Ufern des Flusses Itajaí, die am 2. September 1850 mit der Ankunft von 17 deutschen Einwanderern ihren Anfang nimmt. In derselben Zeit entstanden andere Siedlungen mit deutschen Immigranten, wie Joinville (1851) und Brusque (1860). Zu Ende des 19. Jahrhunderts ließen neue Kolonisierungsprojekte wie dasjenige der Hanseatischen Kolonisationsgesellschaft (1897) die Gemeinden Corupá und Ibirama entstehen.

Die Kolonie Dona Francisca, später Joinville genannt, ging aus der Mitgift der brasilianischen Prinzessin Dona Francisca Carolina hervor, aus Anlass ihrer Heirat mit dem französischen Prinzen von Joinville. Der Prozess der Kolonisierung wurde durch die Hamburger Kolonisationsgesellschaft abgewickelt, die die Ansiedlung von schweizerischen, norwegischen und deutschen Einwanderern ab der Gründung der Kolonie am 9. März 1851 übernahm. Der Bau der Straße, die die Kolonie dann 1873 mit der Region des Planalto Norte verband, ermöglichte die Gründung der Kolonie São Bento do Sul, vor allem mit böhmischen Einwanderern, und begünstigte zudem die Erweiterung der wirtschaftlichen Aktivitäten durch Geschäfte mit Holz und Mate, deren Erträge dann in den Aufbau der regionalen Industrie flossen. Indessen setzt 1876 Emílio Carlos Jourdan die Besiedlung des Gebiets der Kolonie Jaraguá do Sul in Gang. Das Land am rechten Ufer des Flusses Itajaí Mirim war für den Sitz der Kolonie Itajahy (Brusque) bestimmt und bereits von Holzfällern besetzt, als sich am 4. August 1860 eine Gruppe von 55 Deutschen unter der Führung des Barons von Schneeburg dort mit der Absicht niederließ, das Gebiet zu kolonisieren. Mit dem Ende des Contestado-Kriegs (1916) und der Festlegung der Genzen zu Paraná (1917) wurden neue Kolonisierungsfronten auf der Hochebene und im Westen Santa Catarinas eröffnet, was die Ansiedlung neuer Gruppen deutscher Einwanderer und deutschstämmiger Zuwanderer aus Rio Grande do Sul möglich machte. Zu erwähnen sind auch die in der Mitte des 20. Jahrhunderts gegründeten Kolonien wie Itapiranga, Treze Tílias (Dreizehnlinden) und Witmarsum. Viele der deutschen Einwanderer und ihrer Nachfahren haben sich in den Künsten, Wissenschaften und der Wirtschaft Santa Catarinas hervorgetan. Unter ihnen heben wir den Gründer Blumenaus selbst hervor, der nicht nur ein Intellektueller, sondern auch Chemiker und Apotheker war und sich leidenschaftlich für Meteorologie interessierte. Nachdem er von 1850 bis 1880 die Kolonie als Direktor geleitet hatte, kehrte er nach ihrer Emanzipation zur selbständigen Gemeinde 1884 nach Deutschland zurück. Dem Land konnte Dr. Blumenau auch 1883 in Rio de Janeiro einen großen Beitrag als Gründungsteilnehmer der Sociedade Central de Imigração (Zentralverein für Einwanderung) erweisen, zusammen mit Karl von Koseritz, dem Visconde de Taunay, Otto Gruber, dem Baron von Tefé und anderen.

Der Arzt Fritz Müller hat weltweite Berühmtheit als Naturkundler und Erforscher der Natur Santa Catarinas erlangt und stand in regelmäßigem Briefwechsel mit dem Wissenschaftler Charles Darwin. Von Müller stammt das erste Buch, das die These der Evolution untermauerte und 1861 als Ergebnis seiner Beobachtungen an Krustentieren unter dem Titel Für Darwin erschien. In Blumenau lebten auch Geografen und Kartografen wie José Deeke, der später die Hanseatische Kolonialgesellschaft leitete und mehrere Bücher schrieb, der Ingenieur Emil Odebrecht, der über die Vermessung von Grundstücken und Straßen im Itajaí-Tal hinaus eine Straße bis Curitibanos anlegte und an der Vermessung der Grenze von Brasilien mit Argentinien beteiligt war. Es gab Insektenforscher wie Wilhelm Friedenreich; Botaniker wie João Geraldo Kuhlmann; Chemiker wie Emílio Baumgart, der den Stahlbeton in Brasilien einführte; die Brüder Hermann und Bruno Hering, Begründer der Textilindustrie Santa Catarinas; und viele andere, die es verdienen würden, hier erwähnt zu werden. Die Frauen spielten ebenfalls eine große Rolle in dieser Geschichte, wie zum Beispiel die Romanschriftstellerinnen Therese Stutzer und Gertrud Gross-Hering, die zweifellos das intellektuelle, soziale und kulturelle Gepräge des Staates Santa Catarina entscheidend beeinflusst haben.

Aus Joinville ist besonders der Name Ottokar Dörffel zu erwähnen, ehemaliger Bürgermeister von Glauchau, der 1862 die Kolonie-Zeitung gründete und viel zur Anregung des kulturellen und sozialen Lebens der Stadt beitrug; dann die ersten Direktoren der Kolonie, wie Leonce Aubé und Frederico Brüstlein; der Unternehmer Carl Gottlieb Döhler, der mit einem aus einheimischen Holz gefertigen Webstuhl die ersten Stoffe herstellte; die Ingenieure August Wunderwald und August Heeren, die nach der Rodung des Urwalds die Entwicklung von Joinville vorantrieben. Die erste Weberei von Brusque eröffnete der Händler Carlos Renaux, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von deutschen Webern leitete, die aus dem schlesischen Lódz im heutigen Polen stammten. Florianópolis hob sich bereits im 19. Jahrhundert durch die unternehmerische Aktivität von Carl Hoepcke hervor, der 1895 die Empresa Nacional de Navegação Hoepcke gründete und eine der größten Unternehmensgruppen des Bundesstaates aufbaute, mit Filialen in verschiedenen Städten.

Auf dem Feld der Politik ragen die Namen der Familien Konder und Bornhausen heraus, beide aus Itajaí stammend. Filipe Schmidt und Lauro Müller indessen, Söhne der ersten Pioniere deutscher Kolonisten, wurden Gouverneure des Staates Santa Catarina. Um die aufblühende Industrie voranzutreiben, war der Bau von Wasserkraftwerken durch Alexandre Schlemm in Joinville und Frederico Guilherme Busch Senior in Blumenau – der ersten Stadt in Santa Catarina mit öffentlicher Beleuchtung – von grundlegender Bedeutung. Bis heute sind mit Namen wie Hering, Karsten, Döhler, Renaux, Hoepcke, Büttner, Schrader, Kuehnrich, Hufenüssler, Weege, Hess, Werner, Hansen die Spitzensektoren der Industrie Santa Catarinas verbunden.

Die Einwanderer begleitete die Sorge um die Schulerziehung und die Wertschätzung ihrer Kultur, sodass die Pflege des Vereinswesens und der Geselligkeit zu einem wichtigen Bestandteil unter diesen Immigranten und ihren Nachkommen wurde; es sind Traditionen, die sich bis heute lebendig erhalten. Die Akteure dieser Geschichte legten die Fundamente für eine neue Gesellschaft, indem sie sich das kulturelle Erbe, das sie im Gepäck hatten, zunutze machten und das wirtschaftliche, soziale, administrative und intellektuelle Profil entscheidend prägten, nicht nur innerhalb der Grenzen des Staates Santa Catarina, sondern auch darüber hinauswirkend auf andere Regionen des Landes.